Bücherverbrennungen 1933

Unmittelbar nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 begannen die Nationalsozialisten in ganz Deutschland mit der Verfolgung der politischen Opposition und kritischer Intellektueller. Die erste öffentliche Verbrennung von Büchern fand bereits im März 1933 statt, bis November folgten in diesem Jahr Bücherverbrennungen an über 160 Orten. Sie vernichteten Wissen, Vielfalt und Kultur und waren ein wichtiger Akt der gesellschaftlichen Mobilisierung für die Errichtung der nationalsozialistischen Herrschaft. Die Bücherverbrennungen fanden in drei Phasen während der Durchsetzung der Diktatur statt.

Phase 1: Terror gegen Andersdenkende

Die erste Phase der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen begann unmittelbar nach den schon nicht mehr freien Reichstagswahlen vom 5. März 1933 und zog sich bis zum 10. Mai 1933. Die auch als „wilde Verbrennungen“ bezeichneten Gewaltakte waren Teil des politischen Straßenterrors. Er zielte darauf ab, die nach der Verhaftung oder Flucht führender Kommunisten und Sozialdemokraten im Februar 1933 verbliebene organisatorische Basis von SPD, KPD und Gewerkschaften zu zerstören. Bei der Besetzung von Verlags- und Gewerkschaftshäusern plünderten SA und SS die dazugehörigen Bibliotheken, Buchhandlungen und Druckereien und verbrannten neben den geraubten Büchern oft auch Fahnen, Akten, Flugblätter und Möbel auf der Straße. Es handelte sich dabei um spontane Verbrennungen, die sich noch nicht gezielt gegen einzelne Literaturschaffende und ihre Bücher richteten. In einigen Fällen wie in Dresden richteten SA und SS in den besetzten Gebäuden regimetreue Zeitungsredaktionen oder sogar erste Konzentrationslager ein.

Die Bücherverbrennung am 8. März 1933 auf dem Wettiner Platz in Dresden wurde von Polizisten (vorne) und SA-Männern (im Hintergrund) bewacht.
© Deutsche Fotothek

Vereinzelt verbrannte die Hitlerjugend (HJ) auch schon in dieser Phase Bücher auf Schulhöfen oder öffentlichen Plätzen wie in Berlin in den ersten Maitagen. Die Bücher stammten überwiegend aus Schulbibliotheken und waren auf Veranlassung der örtlichen HJ-Verbände zumeist von den Schülern selbst nach ihrem eigenem Ermessen entfernt worden.

Phase 2: Die „Aktion wider den undeutschen Geist“ und der 10. Mai 1933

Die Bücherverbrennungen, die im Rahmen der studentischen „Aktion wider den undeutschen Geist“ stattfanden, waren der geplante und inszenierte Höhepunkt einer Kampagne der Deutschen Studentenschaft (DSt), die am 13. April 1933 mit der Veröffentlichung von „12 Thesen wider den undeutschen Geist“ in zahlreichen Zeitungen begann. Diese Thesen beinhalteten vor allem antisemitische Hetzparolen. Im Anschluss an das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, das die willkürliche Entlassung von jüdischen und politisch missliebigen Beamten ermöglichte, forderte die DSt den Ausschluss jüdischer Professoren und Studierender von den Hochschulen.
 
Die Kampagne wurde nicht vom Staat, sondern von den Studenten initiiert, auch wenn sie von der NSDAP und Propagandaminister Goebbels finanziell unterstützt wurden. Die DSt hatte sich dafür reichsweit mit verschiedenen Akteuren vernetzt, vor allem mobilisierte sie die HJ, die im Mai 1933 acht Bücherverbrennungen in Bayern im Rahmen der Aktion durchführte.
 
Die „Aktion wider den undeutschen Geist“ gipfelte in den studentischen Bücherverbrennungen, die am 10. Mai 1933 in 22 deutschen Universitätsstädten stattfanden. Zuvor hatten Stoßtrupps aus Studenten und SA Bibliotheken auf der Grundlage der „Schwarzen Listen“ des Berliner Bibliothekars Wolfgang Hermann geplündert. Verbrannt wurden nun gezielt Werke, die die gesamte Vielfalt des von den Nationalsozialisten abgelehnten modernen Lebens abbildeten, darunter viele Bücher jüdischer Autoren und Autorinnen.  

Phase 3: Lokale Bücherverbrennungen

Angeregt durch die Aktion der Deutschen Studentenschaft kam es nach dem 10. Mai 1933 bis in den November hinein zu zahlreichen groß inszenierten Bücherverbrennungen unterschiedlichster lokaler Akteure. Auch die Bücherverbrennungen in Thüringen fallen überwiegend in diesen Zeitraum. Auffällig ist in dieser letzten Phase eine häufig auftretende zeitliche Nähe zu den Sonnenwendfeiern um den 21. Juni 1933 wie in Erfurt. Zwar fanden die Bücherverbrennungen dezentral und unter Beteiligung unterschiedlicher Akteure statt, doch sticht die HJ in der Häufigkeit als Organisator deutlich hervor. Als feierlich zelebrierte und kollektive Gewalttaten beinhaltende Massenveranstaltungen radikalisierten die Bücherverbrennungen die gesellschaftliche Zustimmung zur Diktatur vor allem unter Jugendlichen. Als eine Art „Eingliederungsritual“ waren die von der HJ organisierten Bücherverbrennungen häufig mit der Aufnahme von Neumitgliedern verbunden.

Die Bedeutung der Bücherverbrennung

Die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen waren ein Fanal und offenbarten bereits 1933 in aller Deutlichkeit den nationalsozialistischen Zerstörungswillen. Sie hatten national und international eine starke symbolische Wirkung und erinnerten in ihrer Inszenierung als Massenveranstaltungen und mediale Ereignisse an den Charakter öffentlicher Hinrichtungen. Für einige der verfolgten Schriftsteller und Schriftstellerinnen waren sie der letzte Anstoß, das Land zu verlassen. Als Teil eines umfassenden Systems von Repression und Terror und als Gesellschaftsverbrechen waren die Bücherverbrennungen ein zentraler Schritt in der Ausweitung und Normalisierung gemeinschaftlich begangener Gewalt.
 
Anna Seghers flüchtete kurz nach der Verbrennung ihrer Bücher 1933 in die Schweiz.
© Akademie der Künste, Berlin, Anna-Seghers-Archiv, Foto 08, mit freundlicher Genehmigung von Anne Radvanyi
 

Die Bücherverbrennungen rissen eine Lücke in das literarische und politische Bewusstsein, die bis heute nachwirkt. Viele der verfemten Schriftsteller und Schriftstellerinnen gingen ins Exil, verelendeten, verstummten, begingen Selbstmord oder wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Damit verschwanden sie auch aus dem kollektiven Gedächtnis der Nachkriegszeit. Einige unter ihnen wurden erst in den folgenden Jahrzehnten wiederentdeckt, fanden Eingang in die Bibliotheken und den Kanon der Schullektüre. Nicht wenige sind bis heute vergessen.

PDF: Literatur zu den nationalsozialistischen Bücherverbrennungen